Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Feuerstein

 

Pressemitteilung
13. Dezember 2024

 

Rede von Olaf Feuerstein zum Haushalt und zum HSK 2025/2026 in der Ratssitzung am 13.12.2024

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Petra,

liebe Dezernenten,

liebe Mitarbeiter des gesamten Rathauses,

liebe Bündniskollegen,

liebe Ratskollegen

und vor allem liebe Mitbürger dieser zauberhaften Universitätsstadt,

 

eigentlich ist die Haushaltsrede immer die Königsklasse unserer Ratsarbeit…eigentlich!

 

Heute ist alles anders, wir verabschieden einen defizitären Haushalt mit starken Einschnitten die uns alle betreffen.

 

Die Einnahmeseite der Stadt Göttingen kommt nach vielen Jahren eines Einnahmehöhenfluges hart zur Landung. Bei 100 Mio. € Einnahmeverlusten eine harte Landung auf den Boden der Realität. Die Einschränkungen sind so eklatant, dass ein Sparhaushalt allein die Lage nicht in den Griff bekommt und zusätzlich ein Haushaltssicherungskonzept notwendig macht.

 

Ein optimierter auf die Einnahmeverhältnisse angepasster Haushalt 2025/2026 in Verbindung mit einer Haushaltssicherungsliste sind jetzt dringend geboten, um in den Folgejahren nicht noch handlungsunfähiger zu werden, sonst driften wir ins Finanzdesaster ab.

Die Lage ist auch deshalb umso dramatischer, weil sich Land und Bund auf dem Rücken der Kommunen immer neue Aufgaben ausdenken, die sie sich selbst nicht leisten können und plump auf die Kommunen abwälzen. Auch hier muss sich dringend etwas ändern.

 

Wir werden heute wahrscheinlich leider Haushaltsreden hören, in denen einige Ratsmitglieder der Meinung sind, dass alles nur halb so schlimm ist. Daniela Behrens hat schließlich in Hannover allen Kommunen einen Freibrief erteilt, den man sich leicht zu eigen machen kann.

Dieser Hinweis ist Ausdruck völliger Ahnungslosigkeit. Ausgerechnet von dort darf man Lösungen erwarten, stattdessen herrscht dort geistige Windstille. Anders ist dieser Freibrief nicht erklärbar, denn mit Haushaltslogik und Finanzgespür hat das jedenfalls nichts zu tun. Hätte sich solch eine Aussage unser Kämmerer getraut, hätten wir alle berechtigt nur mit dem Kopf geschüttelt. Man, was bin ich froh Christian Schmetz und seine Sparfüchse im Haus zu haben. Eine verwandtschaftliche Nähe zu Frau Behrens scheint demzufolge ausgeschlossen. Manches aus Hannover muss allerdings nach Göttingen abgefärbt haben. Erst wollte die Grüne Ratsfraktion mit dem Haushaltsbündnis ein Haushaltssicherungskonzept absprechen, jetzt wird es verteufelt. Getoppt wurde das Ganze mit dem Antrag der Grünen im Finanzaus-schuss, 5,4 Millionen für eine ÖPNV Taktverdichtung zu beantragen. Diesen Haushaltsantrag muss man sich in Krisenzeiten mal auf der Zunge zergehen lassen. Eine Taktverdichtung beim Sparen wäre hilfreicher.

 

Das Haushaltsbündnis hat es sich wahrlich in den letzten drei Monaten nicht leichtgemacht, den guten ersten Vorschlag der Verwaltung zu verfeinern und Akzente zu setzen. Uns ist hierbei völlig klar nicht alle zufrieden stellen zu können. Viele Antragssteller konnten ihre Wünsche nicht erfolgreich platzieren und müssen in den nächsten beiden Jahren heftig knapsen. Glauben Sie mir, dass auch diese Themen nicht spurlos an uns Ratsmitgliedern vorbeigehen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir nach bestem Gewissen und mit größter Sorgfalt tagelang abgewogen haben, wie wir sparen müssen und können und wo eben nicht.

 

Das Haushaltssicherungskonzept wird uns laut Schmetz’scher Prognosen leider mehrere Jahre beschäftigen. In dieser Zeit werden wir sicherlich immer wieder nachsteuern und nachbessern müssen. Hoffentlich erholt sich die deutsche Wirtschaft mit den Neuwahlen möglichst schnell und hoffentlich nimmt man in Berlin die unausgeglichene Finanzlast der Kommunen ernst und sorgt für spürbare Entlastung.

 

Das heute ist nun der erste Aufschlag eines gebremsten Haushaltes mit seinem lästigen Anhang einer Haushaltssicherung. Nur wenn wir diese Maßnahmen umgehend und ernsthaft umsetzen, können wir viel schmerzlichere Schritte für die Folgejahre abwenden. Wer heute anderes behauptet, muss in seiner Schulzeit Mathematik vorzeitig als Fach abgewählt haben. Anders kann ich mir nicht erklären, wie bei der Faktenlage keine Sparmaßnahmen mitgestaltet werden wollen.

 

Was hat sich das Haushaltsbündnis bei dem heutigen Zahlenwerk gedacht? Wer genau hinschaut erkennt unsere Handschrift. Wir sparen zuerst dort, wo wir Kostenapparate in den letzten Jahren aufgebaut haben, wo wir uns Leistungen leisten, die man sich nur in guten Jahren leisten kann. Wir wollten nicht zu aller erst die Bevölkerung mit diversen Steuererhöhungen noch weiter belasten, wollten nicht die Mittagsverpflegung an den Göttinger Schulen erhöhen, die Budgets der vielen fleißigen und notwendigen Jugendeinrichtungen kürzen, wir wollen keine Schulbudgets kürzen, die sind eh schon nicht auskömmlich genug sind, wir wollen die Betreuungszeiten in den Kitas „Freier Träger“ nicht einschränken und auch die Bürgerdienste wie die Einwohnermeldeangelegenheiten nicht reduzieren.

Die Erhöhung der Mittagsverpflegung um 450.000.- Euro an den Göttinger Schulen geht aus unserer Sicht gar nicht. Das mag für einige wenige Familien keine überdurchschnittliche Mehrbelastung sein, für viele Familien die eh schon knapp auf Kasse rechnen müssen, ist das sehr wohl ein Thema und deshalb für uns keine Option.

 

Das Haushaltsbündnis hält sich auch an seine Zusage, sich nicht an der Grundsteuerreform zu bereichern und die Grundsteuer B zu erhöhen. Natürlich wäre, dass ein schneller und einfacher Griff die Finanzlage der Stadt zu verbessern. Verlässlichkeit in politische Entscheidungen ist an dieser Stelle aber das oberste Gebot für uns.

 

Wir haben an keinen Sanierungs- und oder Umbau- und Erweiterungsarbeiten an unseren Schulen gespart. Wir ziehen das volle Programm durch, vielleicht einen kleinen Tick langsamer.

 In der Stadt Berlin werden im Bildungsbereich 370 Millionen Euro gekürzt, in Göttingen Null. Alles wichtige Punkte, die in schwierigen Zeiten unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt ausmachen. Auch in schwierigen Zeiten wie diesen möchten wir im Bildungsbereich und an unseren Schulen keinen Rotstift ansetzen.

 

Hierzu zählt auch der Sport. Ein ganz wichtiger Aspekt in diesem Sparhaushalt. Wir haben an anderen Stellen Verzicht erklärt und in Zeiten von Streichergebnissen zusätzliche Gelder für unsere Vereine und deren Ehrenamtliche bereitgestellt. So haben wir die Zuschüsse für ehrenamtliche Übungsleiter um jährlich 55.000.- Euro erhöht sowie einen Zuschuss für die Ausbildung von Übungsleitern mit 30.000.- Euro zusätzlich berücksichtigt. Hiervon werden wir zukünftig alle profitieren und die prekäre Lage in vielen Vereinen etwas abfedern. Ja, wir hätten dort gerne noch mehr getan, aber wir haben mit Maß und Mitte ein erstes Startpaket geschnürt, weil in unseren Vereinen unendlich viele wertvolle Arbeit geleistet wird. Sobald wir wieder etwas mehr Haushaltsluft haben, werden wir den zweiten Schritt einer besseren Mittelausstattung gehen.

 

Auch möchte ich unsere wichtige und wertvolle Kulturlandschaft nicht unerwähnt lassen. Mit dem gezogenen Stecker für das DT sind wir nicht einverstanden und haben wieder ein kleines Budget Planungskosten für das Deutsche Theater eingestellt, um hier die Pläne soweit weiter voran zu treiben, dass wenn Mittel aus Land und Bund in greifbarer Nähe sind, wir auf Knopfdruck auch Antragsreif und Konzeptsicher sind. Die Mittelausstattung beispielsweise für das DT und GSO müssen zudem ab 2027 bessere Perspektiven bekommen. Man ist dort kaum noch in der Lage die Mitarbeiter tarifgerecht zu entlohnen, das gilt auch für städtische Töchter. Auch hier lässt uns das Land komplett im Stich. Nicht nur diese beiden Einrichtungen, sondern auch viele weitere Kultureinrichtungen zehren gerade ihre Reserven auf und leisten ihren Sparbeitrag wo es nur geht.

 

Wir sehen als Politiker sehr wohl was da überall geleistet wird, können aber derzeit nicht alles zur Zufriedenheit aller Beteiligten lösen. Gleichzeitig haben wir bei der Bewältigung der Probleme vor die uns die Haushaltssituation stellt, versucht darauf zu achten, dass bei Einsparungen die Zweck-Mittel-Relation stimmt. Dass also der Schaden nicht größer ist, als der Nutzen. Beispielhaft sei an dieser Stelle die im HSK Entwurf geplanten Einsparungen bei den Umweltverbänden genannt. Hier wird durch viele Vereine wertvolle Arbeit geleistet, deren Gefährdung mit den Einsparungen nicht Ansatzweise im Verhältnis standen. Auch ist hier die Überlegung zu nennen, die Ortsräte auf die gesetzliche Mindestgröße zu beschränken. Dies wäre angesichts aktuell schwieriger Zeiten in unserer Demokratie ein fatales Zeichen gewesen.

 

Ich komme nun zu einem sehr sensiblen Einsparungspunkt, dem Personalbudget der Verwaltung. Dieser Punkt trifft sehr viele fleißige Gemüter im Haus und sorgt für Unverständnis gegenüber der Ratspolitik. Hierfür haben wir auch vollstes Verständnis. Ihr sorgenvoller Brief an uns Ratspolitiker wurde von uns aufmerksam zur Kenntnis genommen, wir verstehen Ihren Ärger.

 Aber! Wir machen das nicht um Sie zu ärgern oder Sie nicht ausreichend wert zu schätzen, wir müssen notgedrungen in diesen Zeiten auch an größere Themen ran und kommen an der Kürzung des Personalbudgets aus unserer Sicht einfach nicht herum. In den Vorkrisenjahren hatte die Verwaltung im Jahr 2020 insgesamt 1890 Bedienstete mit einem Aufwand von 108 Millionen Euro, in diesem Jahr 2240 Stellen bei einem Kostenaufwand von 143 Millionen Euro, das macht summa summarum ein Plus von 350 Stellen und ein Plus von 35 Millionen Euro, da hatten wir aber auch knapp 100 Millionen mehr im Budget zu Verfügung. Natürlich wissen wir das derzeit 223 Stellen unbesetzt sind und hier im Haus viele Überstunden und Urlaubstage nicht abgebaut werden können, aber diese von uns im Haushalt eingestellten Einsparungen beinhalten keine einzige Kündigung. Wir besetzen nicht nach und werden auch keine frei werdenden Stellen nach besetzen. So setzt sich unser Einsparpotenzial zusammen. Entspannt sich unsere Haushaltssituation, sind wir die letzten die hier wieder Kürzungen auflockern werden oder in berechtigten Einzelfällen vom eingeschlagenen Sparkurs unterjährig abweichen. Uns ist völlig klar, dass wir hierfür von Ihnen keine Komplimente zu erwarten haben, aber seien Sie wirklich versichert, dass uns diese Maßnahme wirklich sehr schwer fällt und wir wissen was Sie hier im Haus derzeit wertvolles leisten. Als Kaufmann muss ich Ihnen leider aber die Wahrheit sagen indem wir auch dort kräftig sparen müssen, wo wir in den Jahren auch kräftig aufgebaut haben. Wir können uns nicht den üblichen politischen Reflexen bedienen und uns nur auf der Einnahmenseite austoben und die Bürger in allen Bereichen zur Kasse bitten. Das funktioniert so nicht, auch das gehört zu unliebsamen Wahrheit.

 

Unser ausgeklügelter Haushalt spart auch spürbar im eigenen Haus und beim Bürger erst mal durch maßvolle Erhöhungen dort, wo wir es für leistbar halten. Schauen Sie bitte in viele deutsche Unternehmen die durch die Krise genau dieselben Aufgaben in diesem Augenblick zu schultern haben. Dort wird zuerst am Personal, an Aus- und Weiterbildung und dem Marketing gespart und dem Kunden dieselbe Leistung teurer verkauft, um irgendwie auskömmlich die Insolvenz zu vermeiden.

 

Die jetzige Krise wird für alle von uns in Göttingen nicht einfach zu meistern sein. Wer nicht handelt, wird behandelt. Handeln wir nicht jetzt und sparen wir nicht dort, wo wir es noch selbst gestalten können, behandeln uns bald dieselben Landespolitiker sehr unsanft, die uns gestern noch erzählt haben, dass wir nicht unbedingt ein HSK aufstellen müssen. Solche Aussagen kann man nur treffen, wenn das jeweilige Handeln keine persönlichen Konsequenzen hat und eher aus wahltaktischen Überlegungen getroffen wird. Einfach weiter verschulden scheint in Hannover sexy zu sein, aber der Kapitaldienst für die nötigen Kassenkredite ist ein toxischer Cocktail in die Zahlungsunfähigkeit.

 

Und noch eines muss heute mal an- und ausgesprochen werden. Kaum fängt die Kommunalpolitik an, sich um einen auskömmlichen Haushalt zu kümmern, Vorschläge zu erarbeiten, Vorschläge zu überarbeiten, sich schlau zu machen und auch laut zu denken, kaum kommt dieser Prozess in Gang, sollen wir Ratspolitiker die Deppen sein, die von nichts eine Ahnung haben. Mir fallen da einige Personen besonders ein, ich lasse es aber dies heute zu vertiefen. Doch als wenn das noch nicht reichen würde, werden dann noch die Bürger von einigen Personen mit falschen Parolen heiß gemacht, die dann unaufgeklärt durch die Stadt demonstrieren, oder anderswo durch Klickraten gesteuerte Headlines im GT die Politiker durchs Dorf zu treiben. So funktioniert das nicht und so kann man es auch nicht machen, das ist unanständig und unredlich. Viele der hier anwesenden Ratspolitiker leisten 20-40 Wochenstunden ehrenamtliche Arbeit, nach bestem Gewissen zum Wohle unserer Stadt. Wenn Sie mit unserer Arbeitsqualität nicht zufrieden sind, dann kommen Sie bitte einfach gern vor den nächsten Wahlen zu uns und gestalten mit oder besuchen uns bitte häufiger in den Ausschüssen. So stelle ich mir aktiven sachlichen Diskurs und Ideenvielfalt vor.

 

Gelingt uns mit diesen heute vorgestellten Sparmaßnahmen kein Turnaround, kommen aus Berlin und Hannover in den nächsten beiden Jahren keine hilfreich wirtschaftlichen Impulse und Entlastungen in die Kommunen. Dann werden die nächsten Sparrunden richtig bitter werden und die heute vorgestellten Einsparungen niedlich wirken. Warum sage ich das so in aller Deutlichkeit? Weil es, wenn es so kommen sollte, dann wesentlich darauf ankommen wird, dass wir dann die nächsten harten Einschnitte gemeinsam miteinander lösen und fair miteinander umgehen, um Lösungen zu schaffen und keine Schuldigen zu suchen. Gespart werden darf, aber nicht vor der eigenen Haustür, gern bei anderen. So wird das nicht funktionieren.

 

Ich wünsche uns allen, dass der nächste Doppelhaushalt 27/28 positivere Geschichten schreibt. Ich wünsche den Mitarbeitern der Stadt im Haus, das es nicht so hart kommt, wie es heute für Sie aussehen mag und danke Ihnen schon jetzt im Voraus für Ihr Verständnis. Wir als Bündnis finden Ihre Arbeitsleistung zum Wohle der Bürger wirklich top.

 

Abschließend wünsche ich mir einen sachlich konstruktiven Umgang der gesamten Stadtgesellschaft bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben. Dann schaffen wir das auch auf Augenhöhe, ohne dabei Teile unserer Stadtgesellschaft zu verlieren.